Was bedeutet Psychologische Sicherheit eigentlich? Laut Definition ist es die Überzeugung, dass eine Arbeitsumgebung sicher genug ist, um zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Dazu gehört, Fragen zu stellen, Schwächen oder Fehler zuzugeben, Kritik zu üben oder auch Ideen einzubringen. Das alles OHNE dass der- oder diejenige dafür bestraft oder beschämt wird. Im Gegenteil: Ein psychologisch sicherer Arbeitsplatz schätzt Nachfragen und Feedback als einen wertvollen und konstruktiven Austausch zwischen KollegInnen.
Finden Mitarbeitende zu wenig Gehör?
Untersuchungen sagen „Ja“. Laut einer Gallup Umfrage aus dem Jahr 2017 beispielsweise sind nur 3 von 10 Mitarbeitenden überzeugt, dass ihre Meinung am Arbeitsplatz Gehör findet. Das deckt sich mit einer weiteren Studie, in der 85 % der Befragten in mindestens einer Situation das Gefühl hatten, Bedenken bei ihren Vorgesetzten nicht adressieren zu können.
Psychologische Sicherheit – ein Exkurs
Der Begriff Psychologische Sicherheit ist nicht neu. Er geht auf die 60er Jahre und ein Konzept von Edgar Schein und Warren Bennis zurück. Nach einer Weiterentwicklung und systematischen Untersuchungen durch Amy Edmondson in den 90er Jahren erfuhr Psychologische Sicherheit einen entscheidenden Popularitätsschub durch eine Google Studie, über die 2016 die New Times berichtete. Teilnehmer waren 180 Teams aus allen Bereichen des Unternehmens. Das Ergebnis deckt sich mit dem Projekttitel:
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
Das heißt: Entscheidend ist nicht wer, sondern wie im Team zusammengearbeitet wird. Psychologische Sicherheit ist nachweislich der zentrale Faktor für den Teamerfolg. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 5 Schlüsseldynamiken identifiziert. Sie lauten:
- Psychologische Sicherheit – nur wenn diese gegeben ist, wirken auch die anderen Verhaltensweisen
- Zuverlässigkeit – erkennbar an einer verbindlichen und verantwortungsvollen Arbeitsweise
- Struktur und Übersichtlichkeit – Schaffung von Transparenz für eine klare Zielvorstellung
- Sinn – Bedeutsamkeit der Arbeit wird offensichtlich (z.B. finanzielle Sicherheit, Selbstverwirklichung, Unternehmenserfolg)
- Effekt – eigene Arbeit als wertvoller Teil zur Zielerreichung
Psychologische Sicherheit als Eigenschaft von Teams kann viel bewirken
- Höheres Engagement
- Bessere Teamleistung
- Mehr Lernbereitschaft
- Mehr Arbeitszufriedenheit
- Weitergabe von Informationen
Das besagt auch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017, die eine hohe Korrelation zwischen Psychologischer Sicherheit, Arbeitszufriedenheit und Weitergabe von Informationen bestätigt. Auch Amy Edmondson sowie andere WissenschaftlerInnen kamen bereits zu diesem Ergebnis.
Mitarbeitende, die sich psychisch sicher fühlen, sind engagierte Mitarbeitende! Edmondson definiert dabei Engagement als das Ausmaß, in dem sich Mitarbeitende für ihren Job begeistern und sich mit der Organisation verbunden fühlen. Folglich steht Engagement in direktem Zusammenhang mit einer Form von Verbunden- und Zugehörigkeit. Dafür bedarf es wiederum des Vertrauens in die Führungskraft sowie einer unterstützenden Arbeitsumgebung durch die Organisation wie auch durch Kolleginnen und Kollegen.
Psychologische Sicherheit & die Rolle der Führungskraft
Es benötigt sieben wichtiger Voraussetzungen, damit eine Führungskraft ein psychologisch sicheres Arbeitsumfeld entwickeln kann:
- Rahmen und Strukturen -> durch regelmäßig Meetings etc.
- Partizipation -> durch Förderung einer aktiven Beteiligung
- Vorbildfunktion -> durch das Eingestehen eigener Schwächen und Fehler
- Änderung des Bezugsrahmens -> durch einen Perspektivwechsel in Bezug auf Fehler und durch Offenlegung des Menschen hinter der Funktion als Führungskraft
- Sinnhaftigkeit -> durch Vermittlung der Bedeutsamkeit der Arbeit
- Wertschätzende Haltung (oder Mindset) -> durch einen zugewandten, empathischen Umgang
- Produktives Reagieren -> durch eine respektvolle, lösungsorientierte und motivierende Antwort auf Ideen, Schwächen oder Fehler und Bedenken von Mitarbeitenden
Die Bedeutung von Gesund Führen in diesem Kontext
Die angesprochenen Punkte zur Umsetzung einer psychologisch sicheren oder angstfreien Arbeitsumgebung berücksichtigen auch wesentliche Aspekte einer gesunden Führung. Das wiederum bedeutet, dass Psychologische Sicherheit nicht nur – wie vielfach nachgewiesen – zu einer Erfolgs- und Leistungssteigerung von Teams führen, sondern auch zu gesteigertem psychischem und psychosozialem Wohlbefinden der Mitarbeitenden beitragen muss. Es gibt eine Reihe inhaltlicher Überschneidungen. Sowohl Psychologische Sicherheit als auch Gesund Führen zielen auf ein gutes Arbeitsumfeld ab, allerdings mit unterschiedlicher Zielsetzung:
Wohlbefinden und Gesundheit – Gesund Führen
Engagement und Teameffektivität – Psychologische Sicherheit
Professor Bernhard Badura misst der Organisationskultur eine große Bedeutung für die Gesundheit und das Arbeitsverhalten der Mitglieder bei. Er verweist in diesem Kontext auf die Wichtigkeit der emotionalen Bindung der Mitarbeitenden zum Unternehmen, die wiederum von der Organisationskultur, der Art der Führung und dem Beziehungsklima beeinflusst wird. Das heißt: Je stärker die Qualität und die Akzeptanz der Organisationskultur – verstanden im Sinne gemeinsamer Werte, Überzeugungen und Regeln – ausgeprägt ist, je stärker zeigt sich die Bindung. Diese hat wiederum positive Auswirkungen auf das Arbeitsverhalten und die -fähigkeit, auf ein gesteigertes Qualitätsbewusstsein sowie auf die Gesundheit.
Professor B. Badura gilt als „Pionier und Etablierer“ des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, er hat mit seiner Forschung u.a. den wegweisenden Zusammenhang zwischen Mitarbeitergesundheit, Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg aufgezeigt.
Fazit
- Bei Unsicherheiten, einer vernetzten, schnelllebige Arbeitswelt, einer Zunahme von Selbstorganisation, ist ein vertrauensvollen, psychologisch sicheren Arbeitsumfeld angstfreies Arbeitsumfeld besonders wichtig.
Damit Mitarbeitende gesund und motiviert bleiben und damit Organisationen innovativ und produktiv. - Die emotionale Bindung ist hierbei entscheidend. Emotionale Bindung und Engagement/intrinsische Motivation bedingen sich wechselseitig. Neben dem höheren Engagement, mehr Lernen, ist auch die positive Auswirkung auf die Gesundheit ein nachgewiesener positiver Effekt.
- Die Psychische Gefährdungsbeurteilung und BGM als Instrument, Gesund Führen als Werkzeug nutzen, eine Organisationskultur bzw. Arbeitsumgebung für ein Team zu entwickeln, in welcher angstfrei und vertrauensvoll (zusammen-)gearbeitet werden kann. Das zu etablieren ist ein kontinuierlicher Prozess.
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Leseempfehlungen
Amy C. Edmondson: Die angstfreie Organisation, Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen, Vahlen, 2020
Bernhard Badura (Hrsg.): Arbeit und Gesundheit im 21. Jahrhundert, Mitarbeiterbindung durch Kulturentwicklung, Springer, 2017
Quellen:
Badura, C. Ehresmann: Unternehmenskultur, MA-Bindung und Gesundheit, S
Bernhard Badura (Hrsg.): Arbeit und Gesundheit im 21. Jahrhundert, Mitarbeiterbindung durch Kulturentwicklung, Springer, 2017
Biemann, Weckmüller: Psychologische Sicherheit: Erfolgsfaktor für Teamerfolg jenseits der Teamzusammensetzung, Wissenschaftsjournal Personal quarterly, 4/2021
Edmondson: Die angstfreie Organisation, Vahlen, 2020
Frazier et al.: Psycological Safety, A meta-analytic review and extension, Personnel Psychology, 2017
Goller, Laufer: Psychologische Sicherheit in Unternehmen, Springer, 2018
Hoffmann, Hanisch: Bedeutung der psychologischen Sicherheit für die Innovationsfähigkeit von Organisationen, Springer, 2021